Leiharbeit? Aber fair!

Grenzwertig – Senvion verweigert Leiharbeitern korrekte Bezahlung

Der 7. Oktober ist ein scheinbar ganz normaler Mittwoch im Herbst. Für uns als Gewerkschafter im Betrieb ist dies freilich kein gewöhnlicher Tag. Bundesweit machen wir an diesem Tag auf prekäre Beschäftigung, also unsichere Arbeitsverhältnisse, in der Metall- und Elektroindustrie aufmerksam – mit dem Fokus auf Werkverträge und Leiharbeit.

 

Wie war das nochmal bei Senvion in Husum? Es ist keine zwei Jahre her, da lief die Produktion im Zwei-Schicht-Betrieb, und in der Halle konnte man doppelt so viele Leihkräfte wie Festangestellte antreffen. Heute fahren wir einschichtig. Dennoch ist jeder dritte Produktionsmitarbeiter ein „Leiher“.

 

Die Kollegen sind nun schon wieder über ein Jahr bei uns. Dass dies nicht mehr „vorübergehend“ ist – wie vom Gesetzgeber vorgesehen –, versteht sich von selbst. Viel schlimmer aber ist, dass Senvion die Kollegen nun auch bei der Bezahlung übers Ohr haut. Durch den IG Metall Tarifvertrag über Branchenzuschläge erhalten die Leiharbeiter ab der siebten Einsatzwoche mehr Geld. Allerdings sind die Zuschläge auf maximal 90% des Entgelts festangestellter Vergleichsmitarbeiter gedeckelt.

 

Senvion behauptet nun allen Ernstes, die Leihkräfte seien mit den Festangestellten, mit denen sie seit über einem Jahr Seit an Seit arbeiten und exakt die gleiche Arbeit verrichten, nicht vergleichbar – nicht zuletzt in puncto Flexibilität. Selbst die 90% sind deshalb derzeit ein ferner Traum. Das ist nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich grenzwertig. Neben den Leihern werden auch die Sozialkassen einseitig belastet.

 

Wir finden: in Sachen Flexibilität ist tatsächlich keiner unserer Mitarbeiter mit den Leihkräften vergleichbar. Ständig mit der Angst leben zu müssen, „abgemeldet“ zu werden, die schlechtere Bezahlung für die gleiche Arbeit, die Präsenz der Kündigung – all das verlangt viel ab.

 

Deshalb unser Appell an Senvion: Behandelt unsere Leiharbeiter respektvoller und gebt ihnen zumindest ihre 90%. Und bei der Gelegenheit: Es läuft gut bei Senvion, wir reden über Personalaufbau. Prekäre Beschäftigung beseitigt man durch Festanstellung. Die Probezeit war ja lang genug.

 

 

 

2 Kommentare
  1. Der Artikel zu den Leiharbeitnehmern (w/m) ist zwar „edel“, aber kaum zielführend.
    Senvion ist nicht der Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer, sondern nur der Entleiher. Es sind die Zeitarbeitsunternehmen, die den Lohn zu bezahlen haben; den ordentlichen und angemessenen Lohn für gewerbliche Mitarbeiter.
    Senvion – wie auch alle anderen Entleiher in Deutschland – zahlt idR einen höheren Faktor für die ausgeliehenen Mitarbeiter. Insoweit sparen die Entleiher keinen einzigen Cent, sondern handeln kaufmännisch eher unvernünftig. Es ist eine Abwägung zwischen teuer und unvernünftig oder günstig und unflexibel. Oftmals ist auch ausschlaggebend, daß der Leiharbeitnehmer unter Sachaufwand gebucht wird und nicht unter Personalaufwand (die Probleme für § 92 BetrVG sind natürlich erkennbar). Auch wenn die Personalquote für viele Windanlagenbauer wegen der geringeren Fertigungstiefen im Vergleich mit anderen Branchen – wie Dienstleitung, Handwerk – eher nachrangig ist, so mag man in der GuV bzw. Bilanz keine Steigerungen im Personalaufwand ausweisen (man versteckt es lieber und erspart sich nervige Personalanforderungen).
    Völlig falsch ist die Behauptung, daß Sozialabgaben gespart werden. Das Gegenteil ist eher der Fall. Durch die Faktorbezahlung von Leiharbeitnehmern werden in den Verleihfirmen zusätzliche Sozialabgaben generiert.
    Richtig ist, daß Leiharbeitsverhältnisse (und auch befristete Arbeitsverhältnisse) das Individuum oftmals selbst belasten und auf Dauer nachteilig für die gesamte Beschäftigungswelt und die Gesellschaft sind.
    Was könnte man praktisch machen?
    1. Die Betriebsräte könnten sich den § 99 BetrVG für 100% Lohngleichheit „abkaufen“ lassen. Der Entleiher müsste dazu den Faktor beim Verleiher erhöhen. Insoweit gäbe es dann kein soziales Gefälle mehr (§ 77 III BetrVG mit Gewerkschaft beachten). Die Masse der AG hätte damit kein Problem.
    2. Anstatt den AG zu beklagen einfach mal den Leiharbeitnehmertarifteil auf die mittelfristige Forderung setzen
    3. § 92 BetrVG besser umsetzen und mit den Anteilseignern erörtern. Leiharbeitnehmerfaktor reduziert das EBIT und widerspricht kaufmännischen Handeln.
    4. Anstatt Leiharbeit höhere Wochenarbeitszeit für die Mitarbeiter vereinbaren. Auftragsspitzen könnten damit zu einer massiven Lohnerhöhung für die Stammbelegschaft führen. Letztendlich wird man sich nur über Arbeit am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens erfreuen können. Meinetwegen auch AOP o.ä.

    Gruß
    Dietmar Schneider

    • Hallo Dietmar,

      in vielen Punkten hast Du Recht.
      In einigen Punkten muss ich Dir leider widersprechen, oder Du musst bitte genauer ins Detail gehen.
      Es ist richtig, das Senvion nicht direkt für die Bezahlung der Leiharbeitnehmer zuständig ist, sondern die Personaldienstleister. Aber indirekt ist Senvion dafür zuständig.
      Wenn Senvion einen zu geringen Vergleichslohn an die Verleiher angibt,werden die Leiharbeitskräfte auf Grund der Branchenzuschläge nicht im Sinne des Tarifvertrages Branchenzuschläge bezahlt.
      Im Tarifvertrag steht, dass der Entleiher den Lohn eines vergleichbaren Mitarbeiters anzugeben hat (dann kann er ihn um 10% kürzen). Leider.
      Wenn Senvion sich nun einen „virtuellen“ Mitarbeiter ausdenkt und für diesen den Stundenlohn angibt, ist das nicht der vergleichbare Mitarbeiter.
      Ein Beispiel:
      Der vergleichbare Mitarbeiter(Stammbelegschaft) bekommt 18,02 Euro die Stunde.
      Dann würde der Leiharbeiter 18,02 € – 10% (16,22€) bekommen.
      Senvion gibt aber als Vergleichslohn den Mitarbeiter mit einem Stundenlohn von 16,86 € – 10% (15,17€)an (den es nicht gibt).
      Also zahlen der Leiharbeitnehmer und sein Personaldienstleister nur die Sozialabgaben (beide) und Lohnsteuer (Arbeitnehmer) auf den geringeren Stundenlohn.
      Und das ist kein Sozial- und Lohnsteuerbetrug?
      Zitat:
      Völlig falsch ist die Behauptung, das Sozialabgaben gespart werden. Das Gegenteil ist eher der Fall. Durch die Faktorbezahlung von Leiharbeitnehmern werden in den Verleihfirmen zusätzliche Sozialabgaben generiert.
      Diesen Satz hätte ich gern mit Zahlen bewiesen!
      Das würde ja bedeuten, dass wenn ich geringe Löhne zahle, die Sozialabgaben steigen. Ist mir neu.

      Dieser Satz ist der Hohn:
      4. Anstatt Leiharbeit höhere Wochenarbeitszeit für die Mitarbeiter vereinbaren. Auftragsspitzen könnten damit zu einer massiven Lohnerhöhung für die Stammbelegschaft führen. Letztendlich wird man sich nur über Arbeit am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens erfreuen können. Meinetwegen auch AOP o.ä.

      Damit erreichst Du, dass die jetzt schon „gut verdienende Stammbelegschaft“ noch mehr Geld in der Lohntüte hat, und die Leiher zum Arbeitsamt gehen können.
      Außerdem, sollte man die Mitarbeiter vorher fragen, ob sie eine höhere Wochenarbeitszeit haben wollen.
      Die meisten Mitarbeiter, die ich gefragt habe wollen das nicht.

      Mit freundlichen Grüßen
      Der Leiharbeiter

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