»Wir können etwas verändern, wenn wir uns zusammentun und unsere Grundrechte einfordern«
Die Beschäftigten bei Enercon haben sich klar für betriebliche Mitbestimmung entschieden. Die IG Metall steht dabei an ihrer Seite. Denn die Bedingungen beim Marktführer haben Signalwirkung für die ganze Windkraftbranche.
Interview mit Irene Schulz, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.
Im Februar 2015 hat das Arbeitsgericht Magdeburg die Kündigung von Nils-Holger Böttger, dem Betriebsratsvorsitzenden der WEA Service Ost, durch Enercon für unrechtmäßig erklärt. Was bedeutet das für das Engagement um Mitbestimmung bei Enercon?
Das Arbeitsgericht hat Enercon in die Schranken gewiesen. Wir begrüßen diese Entscheidung als klares Signal dafür, dass das Engagement unserer Kolleginnen und Kollegen bei Enercon nicht nur berechtigt ist, sondern „unaufhaltsam“ zum Erfolg führen wird.
Viele Kolleginnen und Kollegen bei Enercon setzen sich seit anderthalb Jahren für Mitbestimmung ein. Viele haben aber auch Angst, weil sie Repressionen vom Arbeitgeber befürchten. Was sagst du einem Kollegen, der dich fragt: Warum lohnt es sich, sich für Mitbestimmung zu engagieren?
Wenn Beschäftigte Angst haben, gibt es nichts Wichtigeres, als diesen Zustand zu verändern. Viele haben in den vergangenen beiden Jahren und Monaten den Mut aufgebracht, sich zu engagieren.
Wir haben inzwischen 13 Betriebsräte und eine Jugend- und Auszubildendenvertretung gegründet, und das mit einer Wahlbeteiligung von im Schnitt über 70 Prozent. Das heißt: Auch die Kollegen, die nicht in der ersten Reihe standen, haben sich beteiligt und ein deutliches Signal an den Arbeitgeber ausgesandt: Wir können etwas verändern, wenn wir uns zusammentun und unsere Grundrechte einfordern. Die neu gewählten Betriebsräte machen einen guten Job. Das alles zeigt, dass Mitbestimmung sich lohnt.
Manche Kollegen befürchten, Nachteile im Betrieb zu erleiden, wenn sie sich engagieren. Was sagst du ihnen?
Mitbestimmung muss erfahrbar und konkret werden, damit die Chancen deutlich werden. Viele Kollegen merken inzwischen, dass sie nicht mehr alleine um Verbesserungen ringen müssen, sondern jetzt eine Institution haben, die die Anliegen der Beschäftigten aufgreifen und Arbeitsbedingungen für die Belegschaft verbessern.
Es kommt aber noch etwas anderes hinzu: Viele Kollegen haben bereits während der Betriebsratswahlen die Bedeutung und den Wert von Mitbestimmung erfahren – gerade auch weil es nicht einfach war. Wenn eine Belegschaft es trotz des Widerstands eines Unternehmens schafft, ihre Betriebsratswahlen durchzusetzen, wird Mitbestimmung und der Sinn gemeinsamer Organisation ganz unmittelbar erfahrbar. Diese gemeinsame Stärke und gemeinsamen Erfolge überwiegen die Ängste und Befürchtungen Einzelner.
Im Herbst 2013 wurden bei den Enercon-Servicegesellschaften Betriebsräte gewählt, im Frühjahr und Sommer vergangenen Jahres zogen etliche Produktionsbetriebe nach. Wie schätzt du das Erreichte ein?
Es lohnt sich hinzuschauen, von wo wir kommen: Enercon war über Jahrzehnte ein weitgehend mitbestimmungsfreies Unternehmen. Allein die Thematisierung von Betriebsräten erforderte schon enorme Anstrengungen. Der Unterschied zu heute könnte kaum größer sein. Wenn wir uns vergegenwärtigen, wie die Wahlen gelaufen sind, wie sich die Kollegen in die erste Reihe gestellt haben, wie sie von ihrer Belegschaft unterstützt wurden, wird deutlich: Das sind Prozesse, die hätte vor drei Jahren niemand für möglich gehalten. Diese erfolgreichen Betriebsratswahlen ermutigen zum Weitermachen.
Auf der anderen Seite müssen wir natürlich sehen, dass Enercon auch heute kein mitbestimmungsfreundliches Unternehmen geworden ist. Im Gegenteil. Noch immer geht die Geschäftsleitung gegen engagierte Beschäftigte vor. Höhepunkt ist die versuchte Kündigung von Nils-Holger Böttger. Enercon lässt sich zielgerichtet von der Kanzlei Hogan Lovells beraten. Nach außen bezieht sich Enercon inzwischen positiv auf Mitbestimmung, wenn auch immer in Abgrenzung zur IG Metall. Doch ein Blick auf die Praxis zeigt, dass Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit immer noch behindert wird. Wir haben noch viel zu tun, um Mitbestimmung auf Dauer zu etablieren.
Du hast es ja schon angesprochen: Enercon sagt, man habe nichts gegen Betriebsräte – aber bitte ohne Gewerkschaft. Was sagst du zu dieser Argumentation?
Die halte ich für völlig unakzeptabel. Erstens: Sich zu organisieren, ist ein Grundrecht. Und das Betriebsverfassungsgesetz stellt aus guten Gründen klar auf die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften ab. Enercon muss diese gesetzlichen Grundlagen zur Kenntnis nehmen. Zweitens ist Mitbestimmung ein Erfolgsfaktor. Wenn wir uns die Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie anschauen, dann sehen wir, dass beide Seiten von Mitbestimmung profitieren. Innovationskraft entwickelt sich nur unter Beteiligung und Einbindung der Beschäftigten. Mitbestimmung und eine starke IG Metall im Betrieb sind eine sehr erfolgreiche Verbindung. Für die Beschäftigten gilt dies sowieso, weil sie umso wirkungsvoller ihre Interessen vertreten können, umso stärker sie im Betrieb sind. Aber auch für das Unternehmen ist Mitbestimmung ein Erfolgsfaktor.
Welche Bedeutung hat das Unternehmen Enercon mit Blick auf die Arbeitsbedingungen in der Branche Windkraftanlagenbau?
Enercon ist ja nicht nur Marktführer in Deutschland, sondern hat Pionierarbeit geleistet. Als Aloys Wobben angefangen hat, wurde er oft belächelt. Aber heute sieht man, dass Management und Beschäftigte stolz sein können, eines der wichtigsten Unternehmen bei der Neuausrichtung hin zu erneuerbaren Energien zu sein. Gleichzeitig profitiert Enercon vom Erneuerbaren Energien Gesetz, das einen riesengroßen Markt geschaffen hat. Und dieser Markt wird von allen Bürgerinnen und Bürgern durch die Stromumlage mitfinanziert. Und deshalb darf man eine besondere Verantwortung von Enercon für diese gesellschaftliche Solidarleistung einfordern. Enercon ist ein wichtiger und wirtschaftlich erfolgreicher Player in der Windindustrie. Nun könnte die Geschäftsleitung zeigen, was Federführung heißt, wenn es darum geht, wirtschaftlichen Erfolg mit sozialer Verantwortung und Innovation zu verbinden.
Immer noch geht Enercon teilweise aggressiv gegen Betriebsräte und gewerkschaftlich aktive Kolleginnen und Kollegen vor. Wie wollt ihr als IG Metall künftig damit umgehen?
Wir werden die Kolleginnen und Kollegen mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, unterstützen. Wir gehen gegen jeden Verstoß und Behinderung der Mitbestimmungsrechte vor, die Arbeit in der Öffentlichkeit verstärken und Beschäftigte, die sich an uns wenden, unsere Mitglieder und Betriebsräte weiter ermutigen und konsequent unterstützen werden. Gleichzeitig fordere ich Enercon auf, mit uns in den Dialog einzutreten, anstatt auf Abgrenzung zu setzen. Erfolgreiche Mitbestimmung für beide Seiten ist möglich. Das stellen Arbeitgeberverbände und IG Metall, das stellen Betriebsräte und Geschäftsführungen in der Metall- und Elektroindustrie täglich unter Beweis.
Wenn Enercon-Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig dich also morgen anrufen würde, würdest du das Telefon abheben?
Selbstverständlich. Ich würde Herrn Kettwig zu einem Dialog über Mitbestimmung bei Enercon einladen.
Schöner Beitrag. Herr Kettwig würde sich vielleicht mit der IG Metall unterhalten wenn er dann noch weniger Lohn bezahlen muss und dann noch mehr Steuergelder bekommt.
Natürlich War das ein Scherz. Los Männer macht mit damit wir was erreichen. Natürlich auch die Frauen unter uns. Wir schaffen das. BR MITGLIED SOWIE IGMer