Heiße Debatten auf dem Weihnachtsmarkt

Heiße Debatten auf dem Weihnachtsmarkt

 

Mitbestimmung bei Enercon ist ein Thema auf Aurichs Straßen. »Nikolaus-Aktion« der jungen IG Metall kam gut an

 

 

Wie praktisch, dass die Farben von St. Nikolaus auch die Farben der IG Metall sind. Das sagten sich sechs junge Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen von der Meyer-Werft aus Papenburg und aus Hamburg. Am Sonnabend, dem 6. Dezember, zogen sie mit falschen Bärten aber einem echten Anliegen durch die Auricher Innenstadt. Ziel war es, auf die Sache der Kollegen bei Enercon aufmerksam zu machen, die sich für mehr betriebliche Mitbestimmung bei Deutschlands Windkraftanlagenbauer Nummer Eins stark machen. Im Gepäck hatten sie neben Schokoladenweihnachtsmännern und Infomaterial, kistenweise Postkarten, auf denen die Enercon-Geschäftsführung aufgefordert wird, sich nicht länger dem Dialog mit der IG Metall zu verweigern.

 

Aurich_drei_Nikolaeuse

 

Aurich hat Enercon viel zu verdanken. Die Finanzen der 40.000-Einwohner-Stadt sind solide, und das liegt vor allem an der Gewerbesteuer, die der Windkraftanlagenbauer hier entrichtet. Es gibt keine Schlaglöcher in den Straßen, Parkanlagen und öffentliche Einrichtungen sind in Schuss. Die Auricher wissen, was sie an Enercon haben. Deshalb finden sie aber längst nicht alles gut, was dort läuft. »Man hört, was da los ist«, sagt eine Frau im Gespräch mit den IG Metall-Nikoläusen. Ein Bekannter, erzählt sie, wurde entlassen, weil er einen Betriebsrat wollte. Für sie ist es selbstverständlich, sich an der Postkartenaktion der IG Metall zu beteiligen. Geschichten wie diese kann hier jeder und jede zweite erzählen – von Mobbing und Einschüchterung bei der Enercon-Tochter GZO, vom autoritären Führungsstil, der überhaupt nicht zu einem Markt- und Technologieführer einer Zukunftsbranche passen will.

 

Mann-unterschreibt-Nikolaus

 

»Ich versteh das nicht«, sagt ein Mann, der auf die 60 zugeht. »Die tun sich damit doch auf lange Sicht selbst keinen Gefallen. Sollten sich lieber mal an VW ein Beispiel nehmen.« »Die« sind Enercon-Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig und seine Vorstandsriege. Erst am Freitag hatte Kettwig in der Ostfriesen-Zeitung erklärt, dem Unternehmen sei die Mitbestimmung der Mitarbeiter »sehr wohl und seit langem« ein wichtiges Anliegen. Für Gespräche mit der IG Metall sieht Kettwig dennoch »aktuell keinen Bedarf«. Kettwig redet mit der Zeitung, Kettwig redet »mit der Politik und wichtigen Ansprechpartnern« – aber, das betont er, nicht mit der IG Metall. Ist ihm eigentlich klar, dass er damit einen relevanten Teil der Enercon-Mitarbeiter ausgrenzt?

 

Metallerin-informiert

 

»Demokratie hört nicht am Werkstor auf«, sagt eine Frau, die sich gleich einen ganzen Stapel Postkarten geben lässt. »So darf man mit Beschäftigten nicht umspringen«, meint sie. »Wir wollen hier keine Verhältnisse wie in Bangladesch.« Gerda Küsel ist seit 40 Jahren Gewerkschafterin und in der SPD. »Wir müssen wieder mehr auf die Straßen, mit den Leuten diskutieren und unsere Argumente vorbringen«, sagt sie. Dass ein paar junge Leute von der Werft und von der Uni in ihrer Freizeit losziehen, um sich für demokratische Grundrechte einzusetzen, findet sie toll. Spontan schließt sie sich an und überzeugt etliche Auricher Bürgerinnen und Bürger die Kollegen bei Enercon mit ihrer Unterschrift zu unterstützen.

 

 

So wird die Nikolaus-Aktion ein voller Erfolg. Fast hundert Leute unterschreiben Postkarten an Enercon, viele lassen sich Info-Material für Freunde und Verwandte mitgeben. Fast alle, mit denen die jungen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter an diesem Sonnabend sprechen, haben Sympathien für die Sache der IG Metall. Enercons Darstellung, man sei Opfer einer unfairen Kampagne, erscheint den meisten hier nicht sehr glaubhaft.

 

Nikolaus_Zwei_Passanten

 

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