»Die Politik darf nicht schweigen«

»Die Politik darf nicht schweigen«

Politik im Gespräch.

 

Hendrik Siebolds von der Auricher Linken fordert mehr Solidarität mit den Enercon-Beschäftigten

 

Hendrik Siebolds sitzt seit 18 Jahren im Stadtrat von Aurich, zwölf Jahre davon für die Grünen, seit 2008 für Partei Die Linke.

 

F. Herr Siebolds. Sie sitzen seit fast 20 Jahren im Auricher Stadtrat. Warum hat die Politik so lange gebraucht, um zu den Einschüchterungen bei Enercon Farbe zu bekennen?

 

Es musste wohl erst so schlimm werden. Natürlich gibt es seit Jahren Beschwerden über die vergleichsweise niedrigen Löhne und den extremen Druck, der auf den Beschäftigten von Enercon lastet. Viele haben wohl gedacht, das geht uns nichts an, das sind Probleme zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Man wollte keinen Ärger produzieren.

 

F.  Die Stadt Aurich hat in der Vergangenheit gut mit Enercon zusammengearbeitet, das Unternehmen sogar in Vielem unterstützt. Wie bewerten Sie dieses Verhältnis nach den jüngsten Berichten der Beschäftigten? Und wie sah die Zusammenarbeit bisher aus?

 

Hinter der Unterstützung stehe ich noch immer voll und ganz. Enercon ist ja eine Firma, die ein gutes Produkt herstellt. Das ist natürlich etwas anderes als etwa bei einem Waffenproduzenten. Wir hatten aber die Hoffnung, dass ein Firmengründer wie Herr Wobben nicht nur umweltverträglich, sondern auch sozialverträglich produziert. Doch die Hoffnung hat sich nicht erfüllt.

 

F. Wie sah die Unterstützung der Stadt aus?

 

Die begann Mitte der 80er Jahre, als Enercon noch ein ganz kleiner Garagen-Betrieb war. In den 90er Jahren ist Enercon rasend schnell gewachsen. Da hat die Stadt etwa dafür gesorgt, dass ständig und schnell neuer Raum bereitgestellt wurde, das waren bis heute fast 80 Hektar für Gewerbeflächen. Normalerweise dauert so etwas lange, doch wir haben alle gesetzlichen Spielräume ausgenutzt, um den Bedürfnissen von Enercon gerecht zu werden. Oft wurden Leute umgesiedelt, viel Natur musste vernichtet werden, was wiederum viele Ausgleichsmaßnahmen erforderte.

Aurich hat auch viel in die Infrastruktur investiert. Das ist zwar die Aufgabe der öffentlichen Hand, doch der Bau eines Gewerbegebietes ist immer ein Zusatzgeschäft. Ein weiterer Punkt ist das Thema Bahnwiederbelegung oder der Bau des Energie-Erlebnis-Zentrums, das direkt neben dem Firmengelände gebaut wird, und auch ein Ausbildungszentrum für Enercon beinhalten soll.

 

F. Warum hat die Politik Angst, Enercon zu verärgern?

 

Etwa wegen der Gewerbesteuer, die Enercon zahlt. Um ein Beispiel zu geben: Im Jahr 2000 lagen die Gewerbesteuereinnahmen bei 20 Millionen Euro. Bis 2013 sind sie auf 140 Millionen gestiegen. Gut Dreiviertel davon kommt von Enercon.

Wir haben uns daran gewöhnt und haben entsprechend hohe laufende Kosten. Zum Beispiel, weil wir die Kindergartengebühren abgeschafft haben. Viele haben Angst, dass Enercon nach Wegen suchen wird, die Gewerbesteuerabgaben zu senken.

Generell sollte aber gelten, dass die Politik nur wegen des Geldes nicht schweigen darf. Wir als Politiker sind ja auch den Beschäftigten verpflichtet, die schließlich hier wählen.

Und auch bei einer Verlagerung des Firmensitzes müsste hier nach dem Lohnaufkommen weiter viel Gewerbesteuer gezahlt werden.

 

F. Wie beurteilen Sie die Kooperation Enercon in den Auricher Stadtwerken. Da sitzt jetzt ein Unternehmen, das gegen Betriebsräte vorgeht?

 

Enercon ist sehr wichtig für die Stadt. Aber das ist kein Grund, dass sie überall mitmischen können. Der Aufsichtsrat besteht aus zehn stimmberechtigten Leuten, davon sind vier von Enercon, einer aus der Verwaltung, fünf kommen aus der Politik. Das sind meine Bedenken, ich weiß nicht, ob sie etwa auf den Umgang mit den Beschäftigten Einfluss nehmen werden. Es sollten auch die, die in Unternehmen arbeiten, an denen die Stadt beteiligt ist, fair behandelt und nach Tarif bezahlt werden.

 

F. Was könnte denn die Lokalpolitik machen, um auf Enercon einzuwirken, das gewerkschaftliche Engagement der Kollegen zu akzeptieren?

 

Sie kann sich einmischen und sagen, jetzt ist aber genug. Natürlich können wir nicht direkt helfen, wenn die Kollegen Probleme haben. Wir können aber öffentlich sagen, dass das Verhalten von Enercon nicht in Ordnung ist und uns mit den Kollegen im Betrieb solidarisieren, ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind.

Die Linke überlegt nun eine Resolution im Stadtrat einzubringen. Der Rat könnte damit deutlich machen, dass man eine solch arbeitnehmer- und demokratiefeindliche Unternehmensführung missbilligt und verurteilt sowie die Beschäftigten moralisch unterstützt.

 

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