»Am Anfang nicht gleich den dicksten Brocken vornehmen«

»Am Anfang nicht gleich den dicksten Brocken vornehmen«

Betriebsräte in der Windkraftindustrie sind Kollegen und keine Konkurrenten. Ralf Nissen, Betriebsrat bei Vestas in Husum, rät neuen Betriebsräten, sich gut zu schulen und nicht gleich mit den schwierigsten Themen anzufangen.

 

Ralf_Nissen

Ralf Nissen, Betriebsrat bei Vestas in Husum, rät neuen Betriebsräten, sich gut zu schulen.

 

In den Enercon-Servicegesellschaften sind im November zum ersten Mal Betriebsräte gewählt worden. Die meisten Kollegen, die jetzt ihr Amt antreten, haben keine Erfahrungen mit Betriebsrats­tätigkeit. Worauf sollte man als frisch gewählter Betriebsrat achten?

 

Als Startkapital braucht man das Verständnis: Okay, ich bin hier von den Kollegen gewählt worden, damit ich ihre Interessen gegenüber dem Arbeitgeber vertrete. Also mach ich mich stark und setze mich für sie ein. Wenn man neu startet, ist eine Grundvoraussetzung, dass man die ersten ein, zwei Schulungen mitmacht, um zu wissen, was sind denn konkret die Rechte und die Pflichten eines Betriebsrats. Das kann man nicht aus dem Bauch heraus machen, dafür gibt es das Betriebsverfassungsgesetz, mit dem man arbeitet und an das sich beide Seiten halten müssen. Darin muss man sich auskennen, und das lernt man beim Betriebsräte-Seminar, und das sollte möglichst zeitnah passieren.

 

Was kann man als unerfahrener Betriebsrat tun, wenn man auf Probleme stößt? Wenn die vertrauensvolle Zusammenarbeit, die der Gesetzgeber will, nicht zustande kommt – etwa weil der Arbeitgeber seinen Informationspflichten nicht nachkommt oder sich nicht an die Mitbestimmungsregeln halten will?

 

Dann sollte man sich Rat holen. Wir Betriebsräte in der Windbranche sind vernetzt. Wir sehen uns nicht als Konkurrenz, wir sehen uns als Kollegen. Betriebsräte helfen sich untereinander, und wenn es Fragen gibt, stehen wir jederzeit zur Verfügung. Genauso die IG Metall als unsere Gewerkschaft. Dort ist genug Kompetenz versammelt.
Mit der Zeit wird sich der Arbeitgeber daran gewöhnen, dass da jetzt ein Gremium ist, mit dem er sich auseinandersetzen muss. Die meisten sehen schnell ein, dass es auch für sie besser ist, einen Partner auf Beschäftigtenseite zu haben, mit dem Dinge auf Augenhöhe geregelt werden können. Das ist besser, als sich mit jedem Mitarbeiter einzeln herumzustreiten.

 

Wenn man als Betriebsrat mit der Arbeit anfängt, will man aktiv mitgestalten. Hast du einen Tipp, wie man die Sache angehen sollte?

 

Man kann sich eine Liste der Themen machen, die die Kollegen beschäftigen und die dann abarbeiten. Sicher sollte man sich am Anfang nicht gleich den dicksten Brocken vornehmen, sondern erst mal mit einer Sache anfangen, wo die Chancen auf Erfolg ganz gut stehen. Und dann geht man in Verhandlungen mit der Geschäftsleitung und schaut, wie es läuft. Wichtig ist, dass man die Arbeit gegenüber den Kollegen kommuniziert, über Aushänge, Infoblätter und regelmäßige Betriebsversammlungen. So wächst man nach und nach in die Arbeit rein.

 

Haben die Kollegen bei Vestas registriert, dass bei Enercon jetzt Betriebsräte gewählt wurden?

 

Viele Kollegen, mit denen ich in letzter Zeit gesprochen habe, haben das sehr interessiert verfolgt, z. B. über den Blog windstärke13.info. Die Kollegen haben sich riesig gefreut, dass es da zum Erfolg gekommen ist und Betriebsräte gewählt wurden. Die Signale sind auch in unserer Geschäftsleitung angekommen. Mittlerweile ist allen klar, dass die IG Metall eine Kraft ist, an der man in der Windbranche nicht mehr vorbei kommt, und das ist gut so.