Allgemeinverbindlichkeit: Wenn Tarifverträge für alle gelten.
Die Tarifverträge im Elektrohandwerk von Berlin und Brandenburg sind allgemeinverbindlich – sie gelten für alle Betriebe der Branche. Für die Beschäftigten bringt das konkrete Verbesserungen. Warum das Beispiel Schule machen sollte.
Wenn Burkhard Bildt über die Arbeitgeber im Elektrohandwerk spricht, kann er sich ein bisschen Spott nicht verkneifen. Bildt ist Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall Berlin. Dort und in Brandenburg sind in diesem Jahr Tarifverträge fürs Elektrohandwerk für allgemeinverbindlich erklärt worden – schon zum zweiten Mal.
Das bedeutet: Die Tarifverträge gelten nun für alle Betriebe der Branche – nicht nur für diejenigen, die Mitglied sind in den Innungen des Elektrohandwerks (LIV).
Was nach einer harten Tarifauseinandersetzung klingt, war gar nicht so kompliziert. Viele Arbeitgeber hatten Interesse an der Allgemeinverbindlichkeit gezeigt. „Da sind die ganz von alleine drauf gekommen“, sagt Burkhard Bild.
Fairer Wettbewerb
Eigentlich kein Wunder: Die Allgemeinverbindlichkeit hat schließlich auch für Arbeitgeber Vorteile: Die allgemeine Lohnuntergrenze verhindert, dass sich Billig-Betriebe über Niedriglöhne Kostenvorteile verschaffen. Damit herrschen faire Wettbewerbsbedingungen. Die Betriebe können sich auf die Qualität konzentrieren, statt sich in einem Dumping-Wettlauf aufzureiben.
Die Mehrheit der Elektrohandwerksbetriebe in Berlin und Brandenburg war bereit, diesen Weg zu gehen. Eine wichtige Voraussetzung. Denn damit Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden können, müssen sowohl die Gewerkschaft als auch der jeweilige Arbeitgeberverband zustimmen.
Fortschritte im Betrieb
Was die Allgemeinverbindlichkeit in der Praxis bedeutet, weiß Udo Wegener. Der Metaller arbeitet bei einer Berliner Elektroinstallationsfirma mit knapp 30 Beschäftigten. Er sagt: „Die Kollegen werden jetzt in Entgeltgruppen eingruppiert. Das schafft Sicherheit. Jeder weiß, was ihm zusteht.“
Die Eingruppierung richte sich nach klaren Kriterien wie Qualifikation und Berufserfahrung. Vorher sei dagegen oft nach dem „Nasenprinzip“ bezahlt worden. Heißt: Der Chef hat eher willkürlich entschieden, wer wieviel verdient.
„Rund 40 Prozent der Kollegen verdienen jetzt mehr als zuvor“, sagt Wegener, der auch stellvertretender Betriebsratsvorsitzender seiner Firma ist. Und: „Wir können mit regelmäßigen Lohnerhöhungen rechnen.“
Initiative der großen Drei
Wegen dieser Effekte will die IG Metall die Allgemeinverbindlichkeit verstärkt nutzen und so die Tarifbindung in Deutschland erhöhen. Beim jüngsten Sozialpartner-Gipfel auf Schloss Meseberg haben die drei größten deutschen Gewerkschaften – IG Metall, Verdi und IG BCE – Vorschläge gemacht. Sie wollen zum Beispiel die Hürden für die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen senken.
Davon würden Arbeitnehmer besonders in Branchen mit vielen Kleinbetrieben profitieren – wie eben dem Kfz- oder dem Elektro-Handwerk. Viele dieser Handwerksbetriebe haben bislang keinen Tarifvertrag, weil die Verhandlungsmacht der Tarifertragsparteien dort zu gering ist.
Für Burkhard Bildt ist die Allgemeinverbindlichkeit deshalb ein großer Schritt. Er wünscht sich nun ähnliche Erfolge in weiteren Tarifgebieten. Für ihn steht fest: „Lohndumping darf kein Wettbewerbsvorteil sein.“
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